Corona macht Pfarreien erfinderisch

Corona macht Pfarreien erfinderisch

  • Seit keine Gottes­di­en­ste, Pfar­reifeste und Reli­gion­sstun­den mehr stat­tfind­en, haben die Pfar­reien zahlre­iche Alter­na­ti­vange­bote für Alt und Jung ins Leben gerufen.
  • Wichtig ist den Ver­ant­wortlichen, dass die Men­schen Unter­stützung im All­t­ag bekom­men. Gle­ichzeit­ig sollen die Gemein­demit­glieder aber auch spir­ituelle Impulse erhal­ten.
  • Die Krise fördert in den Pfar­reien die Kreativ­ität und den Mut, Neues zu pro­bieren. Eine Zwis­chen­bi­lanz nach den ersten zwei Wochen.
In der Krise übernehmen die Pfar­reisekre­tari­ate vielerorts die Funk­tion der Triage-Stelle. Die Pfar­reisekretärin leit­et als erste Ansprech­per­son das Anliegen an die passende Stelle weit­er. «Im Moment haben wir aber noch fast keine Anrufe, es ist ziem­lich ruhig», sagt Car­men Rey, Pfar­reisekretärin in Muri. «Wahrschein­lich spielt noch die Hil­fe im nahen Umfeld. Aber die Zeit wird lang – wir stellen uns auf mehr Anfra­gen ein». Wenn das Sekre­tari­at nicht beset­zt ist, wird der Anruf in Muri auf die Not­fall­num­mer umgeleit­et. So oder ähn­lich sind die meis­ten Pfar­reien organ­isiert.

Nachfragen, wie es geht

Noch ist es ruhig. Auch das Sekre­tari­at des Pas­toral­raums Oberes Freiamt verze­ich­net aktuell noch nicht viele Anrufe. «Es ist im Moment eher so, dass die Seel­sor­gen­den von sich aus Leute anrufen und sich erkundi­gen, wie es ihnen geht», berichtet die Sekretärin Ruth Fleis­chlin. Das sei in dieser Sit­u­a­tion wichtig, da der Seel­sorg­er die Men­schen nicht wie son­st nach dem Gottes­di­enst oder beim Pfar­reian­lass tre­ffe.Ähn­lich äussert sich Christi­na Fuhrmann, Pfar­reiseel­sorg­erin in Wet­tin­gen: «Wir über­legen uns, dazu überzuge­hen, die Gemein­demit­glieder anzu­rufen.» Zwar bieten die Seel­sor­gen­den in Wet­tin­gen und Würen­los eine Online-Gespräch­srunde an, bei der sich die Leute in eine Video-Kon­ferenz ein­schal­ten kön­nen. Doch das Ange­bot find­et zur Zeit noch keinen grossen Anklang. «Vielle­icht steckt dahin­ter das grund­sät­zliche Prob­lem, dass wir nur das Pub­likum erre­ichen, das dig­i­tal unter­wegs ist», ver­mutet Christi­na Fuhrmann. Um mit älteren Gemein­demit­gliedern in Kon­takt zu bleiben, leis­ten Tele­fon oder Brief bessere Dien­ste.

«Man schaut wieder mehr über den Gartenhag»

Mit einem Brief haben sich der Pfar­reirat und die Pfar­reiseel­sorg­erin von Kaisten und Itten­thal an die Gemein­demit­glieder gewandt. Das Schreiben habe eine sehr pos­i­tive Res­o­nanz aus­gelöst, sagt Pfar­reiseel­sorg­erin Hele­na Boutel­li­er: «Gegen zwanzig Helferin­nen und Helfer haben sich gemeldet. Bis jet­zt kon­nte ich sie an fünf Hil­fe­suchende ver­mit­teln.» Weil sie die Verbindung zwis­chen Helfern und Hil­fe­suchen­den her­stelle und im Brief ihre Num­mer für «Tele­fon­seel­sorge» ver­merkt sei, komme sie mehr als vorher in Kon­takt mit den Men­schen in der Gemeinde. Der Fly­er «Hil­fe vor Ort», der die Men­schen in den Pfar­reien dazu aufrief, sich in der Nach­barschaft gegen­seit­ig zu unter­stützen, habe einen richti­gen Schub aus­gelöst: «Man schaut wieder ver­mehrt über den Garten­hag und fragt bei den Men­schen der Risiko­gruppe an, ob sie Hil­fe und Unter­stützung benöti­gen», freut sich Hele­na Boutel­li­er.

Nachbarschaftshilfe in fast allen Pastoralräumen

In fast allen Pas­toral­räu­men im Aar­gau gibt es «Nach­barschaft­shil­fe» in irgen­dein­er Form. (Die jew­eili­gen Hil­f­sange­bote find­en Sie auf den Web­seit­en der einzel­nen Pfar­reien. Hier gelan­gen Sie zu den Pfar­rei­seit­en: https://www.horizonte-aargau.ch/pfarreien/ ). Kurt Adler, Leit­er der Fach­stelle Diakonie erk­lärt: «Nach­barschaft­shil­fe bein­hal­tet vor allem Lebens­mit­teleinkauf, Fahr­di­en­ste zu Arzt oder Apotheke.» Vielfach gäben die Helferin­nen und Helfer den Leuten auch die Anre­gung weit­er, als Zeichen der Ver­bun­den­heit eine Kerze anzuzün­den.

«Wir haben noch Kapazität»

Nach­barschaft­shil­fe bietet zum Beispiel Jung­wacht Blau­r­ing (Jubla) Mägen­wil an. Die Ansprech­per­son Anni­na Gmür zieht nach der ersten Woche Bilanz: «Es gab Tage mit zwei bis drei Anfra­gen und zwis­chen­durch auch ein paar Anrufe von Leuten, die wis­sen woll­ten, wie unsere Hil­fe funk­tion­iert.» Das Hil­f­sange­bot laufe, jedoch noch nicht so inten­siv. Die Jubla-Lei­t­erin­nen und Leit­er haben Kapaz­ität für mehr Anfra­gen. Mit­glieder des Ehe­ma­li­gen­vere­ins unter­stützen das Leitung­steam, sie organ­isieren sich via Grup­pen­chat auf What­sapp.

Es entstehen schöne Begegnungen, trotz Distanz

Im Pas­toral­raum Region Brugg-Windisch existiert eine Hot­line für Fra­gen, Sor­gen und Unter­stützungs­be­darf. Dazu organ­isieren Jugendliche aus Jung­wacht Blau­r­ing eine Einkauf­shil­fe. Laut Kat­e­chet Fabi­en Daetwyler steigt die Zahl der­jeni­gen, welche das Ange­bot in Anspruch nehmen möcht­en, täglich an. Die frei­willi­gen Helfer erledi­gen im Moment Einkäufe für etwa 15 Per­so­n­en. «Sowohl die Betreuten wie auch die 35 Frei­willi­gen erleben diese Art der Hil­fe als gewinnbrin­gend. Es entste­hen schöne Begeg­nun­gen – bei Ein­hal­tung des  nöti­gen Abstandes natür­lich», sagt Fabi­en Daetwyler. Weil die Helferin­nen und Helfer aus allen Eck­en des Pas­toral­raums stam­men, kon­nten alle Aufträge bis jet­zt per Fahrrad oder zu Fuss erledigt wer­den.Zusät­zlich holt der Einkaufs­di­enst bei Bedarf Waren­spenden zu Gun­sten des zur Zeit aus­ge­set­zten «Tis­chlein deck dich» ab, der Pas­toral­raum ruft die Bevölkerung auf, Lebens­mit­tel für die Sol­i­dar­ität­sak­tion zu spenden.

Spirituelle Nahrung via youtube-Kanal

Die meis­ten Pfar­reien stellen ihren Mit­gliedern spir­ituelle Impulse zur Ver­fü­gung. Dazu nutzen sie die ver­schieden­sten Kanäle. Das Seel­sor­geteam in Wet­tin­gen erstellt Videobotschaften auf YouTube, um die fro­he Botschaft zu verkün­den. Der Pas­toral­raum Aare-Rhein hat auf sein­er Web­seite ein virtuelles Für­bit­tbuch aufgeschal­tet, in dem die Besuch­er ihre Anliegen auf­schreiben kön­nen. Jeden Abend um 19 Uhr sind die Pfar­reiange­höri­gen zum Beten aufgerufen. Die Pfar­rei Meis­ter­schwan­den-Fahrwan­gen legt in der Kirche Gebete und ermuti­gende Texte auf, welche die Leute mit nach Hause nehmen kön­nen. Auf Wun­sch ver­schickt die Pfar­rei diese Impulse auch per Mail oder per Post.

Whatsapp-Gruppe «Seelsorge»

Jes­si­ca Zemp, Seel­sorg­erin in der Pfar­rei Eggen­wil-Widen, hat eine What­sapp-Gruppe mit dem Namen «Seel­sorge» gegrün­det. Per Mobil­tele­fon schickt sie jeden Mor­gen ein Bild, einen Text und ein Gebet in die Runde. Durch den Tag kommt ab und zu ein Impuls von einem Grup­pen­mit­glied oder einzelne Teil­nehmerin­nen und Teil­nehmer stellen sich den anderen vor. Der Chat läuft seit zwei Wochen und umfasst derzeit 60 Mit­glieder. «Ich habe mega Freude, dass es so gut läuft», sagt Jes­si­ca Zemp. Die Gruppe ist gut gemis­cht, neben jun­gen Eltern sind auch ältere Men­schen aus der Pfar­rei, aber auch solche aus anderen Kan­to­nen und sog­ar aus dem Aus­land im Chat dabei.

Bewusster beten

Für Jes­si­ca Zemp ist das Bewirtschaften des Chats kein Stress, son­dern eine Bere­icherung: «Indem ich jeden Abend die Texte für den näch­sten Tag vor­bere­ite, erlebe ich mein eigenes Beten viel bewusster», erk­lärt die Seel­sorg­erin.

Religionsschüler machen sich auf die Suche nach Ostern

Der Reli­gion­sun­ter­richt in der so wichti­gen Fasten‑, Pas­sions- und Osterzeit fällt eben­falls aus. Doch find­i­ge Reli­gion­slehrerin­nen und ‑lehrer erre­ichen die Kinder eben­falls via neue Medi­en. Die Kirchge­meinde Baden-Ennet­baden zum Beispiel stellt unter dem Namen «ReliBaden@Home» laufend aktuelle Filme, Infos und Bilder auf.  «Dieses Jahr ist alles ein biss­chen anders. Aber die Kat­e­chetinnen haben sich etwas aus­gedacht. Schaut euch doch das Video an», schreiben die Kat­e­chetinnen Wet­tin­gen und Würen­los auf der Pfar­rei­web­seite. Dazu find­en die Reli­gion­ss­chüler ein span­nen­des Video mit dem Namen «Auf Spuren­suche — Was hat unser Glaube mit Hasen und Eiern zu tun?»
Marie-Christine Andres Schürch
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