Zu sechst auf einem Dampfschiff

Zu sechst auf einem Dampfschiff

Der achte Pas­toral­raum im Aar­gau ste­ht. Bischof Felix Gmür errichtete gestern Son­ntag, 22. Jan­u­ar 2017, den Pas­toral­raum «Unteres Freiamt» mit einem ein­dringlichen Plä­doy­er für die gelebte Ein­heit der Chris­ten. Im Pas­toral­raum und darüber hin­aus. Das untere Freiamt muss wahrlich ein gefährlich­es Pflaster sein. Denn Bischof Felix Gmür begab sich umringt von vier Schweiz­er­gardis­ten zum Fest­gottes­di­enst in Wohlen. Die Leib­wache, die nor­maler­weise dem Papst vor­be­hal­ten ist, sorgte schon vor Beginn der Feier für Auf­se­hen. Gottes­di­en­st­be­sucherin­nen und –besuch­er zück­ten ihr Handy und fotografierten den imposan­ten Einzug vom Vor­platz der Kirche St. Leon­hard aus. Neben der Schweiz­er­garde zogen eine grosse Min­is­tran­ten­schar, das kom­plette Seel­sor­geteam samt Vertretern der Mis­sione Cat­toli­ca Ital­iana und der Alban­is­chen Mis­sion, die Vertreterin der Bis­tum­sre­gion­alleitung sowie Fah­nen­del­e­ga­tio­nen aller sechs Pas­toral­raump­far­reien in die Kirche ein.

Keine freien Plätze mehr

«Ich habe noch zwei Plätze», teilte der umsichtige Herr, der als Platzan­weis­er fungierte, den am Ein­gang Ste­hen­den mit. Zwei Damen fol­gten ihm durch den Mit­tel­gang. Dann war die Kirche St. Leon­hard buch­stäblich bis auf den let­zten Platz beset­zt. Weit über 400 Men­schen feierten an diesem Son­ntag die Errich­tung des Pas­toral­raums «Unteres Freiamt».

Ein Mittagessen mit Folgen

Als voraus­denk­ender Mann hat­te Pas­toral­raum­leit­er Kurt Grüter diesen Ansturm kom­men sehen. Deshalb traf er sich im Vor­feld des Gottes­di­en­stes mit Mar­co Veil, dem Chef der Region­alpolizei Wohlen, zum Mit­tagessen. Sie sprachen über Park­platzmöglichkeit­en für die vie­len Gottes­di­en­st­be­such­er und über allen­falls nötige Strassensper­run­gen für den feier­lichen Einzug mit dem Bischof. «Der Bischof kommt?» Als Ex-Schweiz­er­gardist Mar­co Veil dies hörte, war für ihn klar: Für diesen feier­lichen Anlass braucht es Schweiz­er­gardis­ten. Dank sein­er Beziehun­gen zur Garde und zur Freude aller Anwe­senden klappte dieses Vorhaben.

Einer singt das Halleluja, eine besucht Kranke

Far­ben­froh wie die Uni­form der vier Gardis­ten präsen­tierte sich auch die Gottes­di­en­st­ge­meinde. Jung, Alt, Deutsch- und Ander­ssprachige, Gläu­bige der sechs Pas­toral­raump­far­reien Dot­tikon, Fis­chbach-Gös­likon, Häg­glin­gen, Nieder­wil, Wal­tenschwil und Wohlen sassen in den Bänken. Ganz nach dem Geschmack von Bischof Felix Gmür. «Wir müssen alle mit­nehmen in unserem Pas­toral­raum» sagte er. Er bezog sich auf den Anfang des Matthäu­se­van­geli­ums, auf Jesus’ Auf­forderung: «Kehrt um!». Frei vor dem Altar ste­hend sprach er zur Gemeinde. Ein Manuskript brauchte er nicht, seine wichtige Botschaft wusste er auswendig: «Warum sind wir Chris­ten? Damit wir heil wer­den. Die Botschaft ‚Kehrt um’ hat ein Ziel. Und wir sind aufgerufen, möglichst viele Men­schen mitzunehmen auf den Weg, der zur Gesun­dung führt.» Es sei ihm bewusst, Dot­tikon sei ein anderes Dorf als Wohlen, fuhr Felix Gmür fort. «Und früher glaubte man fast, dort lebten andere Men­schen­sorten.»«So schnell geht das!»Mit Witz und char­man­ten Beispie­len zeigte Bischof Felix auf, dass in einem Pas­toral­raum jede und jed­er einen Platz hat: «Ein­er singt das Hal­lelu­ja, eine besucht Kranke. Das ist gelebte Ein­heit.» Dazu gehörten auch die Mis­sione Cat­toli­ca Ital­iana, die Albaner­mis­sion und alle Ander­ssprachi­gen im Pas­toral­raum, betonte der Bischof. Um die Ver­bun­den­heit mit der Mis­sione Cat­toli­ca Ital­iana zu bekräfti­gen, sprach der Bischof einzelne Pas­sagen auf Ital­ienisch. Dann set­zte er seine Mitra auf, griff zum Bischof­sstab und schritt zum Ambo. «Kraft meines Amtes als Bischof von Basel errichte ich den Pas­toral­raum Unteres Freiamt.», sprach Bischof Felix. Und fügte mit einem Augen­zwinkern hinzu:«So schnell geht das.»

Etwas schwerfällig und nicht leicht zu steuern

Marc Staubli, Präsi­dent der Kirchenpflegev­er­samm­lung, hielt in sein­er Ansprache fest, dass der Zeitaufwand für die Vor­bere­itung eines Pas­toral­raums und der­jenige für seine Errich­tung in einem sehr ungle­ichen Ver­hält­nis stün­den. Viele Stun­den des Akten­studi­ums, Schreibar­beit und Sitzun­gen seien nötig gewe­sen, um heute hier feiern zu kön­nen. Der von Anfang an grosse Rück­halt bei den Gläu­bi­gen und die oppo­si­tion­slose Zus­tim­mung zum Pas­toral­raum hät­ten aber die Arbeit entschei­dend erle­ichtert. Das starke Bedürf­nis der Pfar­reiange­höri­gen jedoch, dass pas­torale Dien­ste und Seel­sorge vor Ort möglichst erhal­ten bleiben, liess er nicht uner­wäh­nt. So gese­hen stimme der Spruch: «Haupt­sach, d Chile bli­ibt im Dorf.» Er ver­glich den errichteten Pas­toral­raum mit einem Dampf­schiff: gross, etwas schw­er­fäl­lig und nicht ganz leicht zu steuern. An Bord die sechs Pfar­reien. Pas­toral­raum­leit­er Kurt Grüter und Kirchenpflegepräsi­dent Rena­to Wid­mer übernehmen die Ver­ant­wor­tung am Steuer.

Heitere Freude über das Erreichte

Glück- und Segenswün­sche vom Kirchen­rat, von der reformierten Kirchge­meinde, von poli­tis­ch­er Seite und vom benach­barten Pas­toral­raum Brem­garten-Mutschellen run­de­ten die stim­mungsvolle Feier ab. Der Gottes­di­enst mit Kirchen­chor, Bläserensem­ble und Orgel war getra­gen von heit­er­er Freude über das Zus­tandege­brachte. Bischof Felix hat heute die Leinen gelöst: Nun müssen alle mithelfen, das Pas­toral­raum­schiff in Fahrt zu brin­gen und auf Kurs zu hal­ten. 
Marie-Christine Andres Schürch
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